Die Deutsche Weinstraße – Eine Fahrradtour zwischen Weinstuben, Riesling und Burgunder

1 Tag – Alter, viel zu früh/es ist mitten in der Nacht

Worms-Diedersfeld 60km. Eigentlich sind wir uns in fast allen Dingen einig, aber wenn es darum geht, wann wir losfahren, und das betifft nicht nur die deutsche Weinstraße, vertreten wir zwei gegensätzliche Standpunkte: 1. Morgenstund’ hat Gold in Mund – oder besser gesagt: früh los, weil endlich Urlaub… yeah! 2. Morgens bin ich immer müde – oder grummel grummel lass uns später los, ich hasse die Welt. Rabauke eins gewinnt und wir brechen mitten in der Nacht bzw. an einem wunderschönen Morgen in Richtung Hbf Köln auf.  

Trekkingräder? Haben wir nicht. Noch nicht.

Wie bei der letzten Tour haben wir uns wieder Räder geliehen. Letztes Mal sind wir noch davon ausgegangen, dass die RADSTATION in Köln bestimmt 100te von Anfragen bekommt und eben so viele Räder vorhalten müsste, aber als uns dieselben Räder wie uns bei der letzten Tour anlachen zweifeln wir doch etwas daran und fragen uns ob wir die einzigen Kölner sind, die mal aufs Land fahren. Taschen dran – High Five auf einen neuen, hoffentlich guten Trip und los Richtung Bahn. Die Fahrt Richtung Worms dauert von Köln (mit einmal Umsteigen) ca. 2:19h – es wäre also auch eine Stunde später in Ordnung gewesen, muss Rabauke eins zugeben. Egal – wir fahren. In der Bahn gibt es Frühstück – hierbei wechseln wir uns zum Glück immer ab – Brötchen, VeggiefrikkaZ und anstelle von Kaffee, ein Auftaktbier. Prost!

Im Worms angekommen müssen wir uns kurz orientieren. Nicht dem Bier geschuldet, sondern eher der mangelnden Vorbereitung. Nächstes Mal werden wir uns… Ach gute Vorsätze sind für Silvester. Es wird wahrscheinlich wieder genauso laufen. Es sind noch 25 km bis zur deutschen Weinstraße, aber bevor wir uns in den Bus setzten fahren wir doch lieber los. Nächster Stopp – Grünstadt.

-Klapper- Klapper -Klapper- auf der deutschen Weinstraße

Auf den ersten Metern stellen wir fest, dass bei einem Esel nur ein Gang von 21 richtig eingestellt ist. Es klappert ordentlich – 85 km deutsche Weinstraße wir kommen. Es geht gemütlich auf flachen Wegen los, doch nach den ersten zwei bis drei Steigungen schleicht sich langsam der Verdacht ein, dass es doch etwas anstrengender werden könnte. War das mit “für trainierte Radfahrer” in der Karte gemeint? Mysteriös – Wir werden in diesem Fall weiter ermitteln.

Grünstadt hört sich grüner an als es wirklich ist, aber in der Nähe vom Bahnhof gibt es das “Brauhaus Grünstadt”. Eigentlich wollten wir keine Wertung abgeben, aber… Pale Ale steht neben diversen anderen Bieren zusammen mit rassistischen Bezeichnungen für Bier mit Cola auf der Karte. Als uns das auffällt, steht das Bier schon halb auf getrunken auf dem Tisch. Noch schnell die andere Hälfte rein und weiter. Die Karte sollte dringend überarbeitet werden.

Hoffentlich geht das nicht so weiter

Die nächsten Kilometer bis Bad Dürkheim lassen sich gut runterfahren. Die Sonne scheint auch die Tour fahren zu wollen und beschert uns bestes Wetter. Zumindest an diesem Tag.

Wir sehen Weinberge vor uns…yeah! So haben wir uns das vorgestellt und da gerade Weinlese ist, hängen die Trauben erntereif an den Rebstöcken. Wie schön kann das Leben sein?! Langsam fragen wir uns warum wir noch keinen Wein auf der deutschen Weinstraße getrunken haben bei dem ständigen Auf und Ab bekommen wir langsam wieder Durst. Bergauf ist wirklich nicht der Knaller, zumal wir das Zelt wieder dabei haben, das schlaucht und… hui bergab… ist das geil, der Wind pfeift um die Ohren und man lässt einfach nur laufen. So müssen sich E-Bikefahrer fühlen.

Yeah – Wein so weit wir gucken können

Wir erstrampeln uns aber lieber unseren ersten Wein und auch ohne Unterstützung kommen wir vorwärts. In Bad Dürkheim liegt irgendetwas in der Luft. Okay die Sonne scheint, aber warum sind alle so ausgelassen? Und da sehen wir es: Der 600 Jahre Wurstmarkt, ein Jahrmarkt rund um das größte Weinfass der Welt wirft seine Schatten voraus.

Wer jetzt den exklusiven Wurstmarktbericht erwartet den müssen wir enttäuschen. Wir sind einen Tag zu früh in der Stadt und müssen uns mit einem Glas Wein in der Sonne begnügen. Es gibt aber Schlimmeres. Die Radfahrkarte meint, dass die Strecke überwiegend autofrei ist, was wir aber so nicht unterschreiben würden. Nicht gerade Köln, aber auch nicht plattes Land und hier und da fehlt leider auch die Beschilderung. Trotzdem gelingt es uns den Weg Richtung Neustadt zu finden, wo wir in der kommenden Nacht auch bleiben wollen.

Die ewige Kanzlerin – live und fast umgefahren

Hoppala fast umgefahren – Die Kööönigin, äähh, Kanzlerin ist in Neustadt  oder um es mit Ihren Worten zu sagen: “Gestern in Mainz, heute in Neustadt in der Stadt des Weins” klasse so bekommt man die schreienden Wutbürger die sich ebenfalls versammelt haben und weil der Spruch so gut war wiederholt Sie Ihn auch einfach nochmal. Die Hälfte der Bürger flippt vor Freude aus und können es nicht fassen das die Kö..Kanzlerin leibhaftig in Neustadt ist die andere Hälfte pöbelt einfach nur rum.

Schnell weg hier. Ein Blick in die App verrät uns, dass man in Neustadt zu wirklich guten Preisen schlafen kann, wenn man die Königin (ähm Kanzlerin) ist, aber die Preise nichts für Rabauken sind, zumal hier auch fast nichts mehr frei ist.

Ein Kühlschrank voll mit Wein, wen wundert es an der deutschen Weinstraße

Wir fahren ins drei Kilometer entfernte Diedersfeld, einem Ort ohne Restaurants und Halligalli. Dafür mit einer um so netteren Zimmerwirtin. Wir bekommen Tipps, wo wir noch essen gehen können und den Hinweis, dass auf der Treppe ein Kühlschrank mit Wasser und Wein zur Selbstbedienung steht.

Aus dem Restaurantbesuch wird leider nichts mehr, nachdem wir das erste Glas Wein und die Beine hochgelegt haben. Wir diskutieren, ob man eine Pizza zum Haus bestellen kann und machen es dann einfach. Oh Gott – Pizza Balkon und Wein – Einen großen Haufen auf Wellnesshotels, hier in der Pampa spielt die Musik wir merken die (Wein-) Berge in den Knochen müssen uns aber ein letztes Mal aufraffen, um die Räder in die Garage zu schieben. Wir beichten unserer Gastgeberin unsere Faulheit und bekommen dafür noch selbst gemachten (!) Tomatensalat und Besteck, damit wir halbwegs zivilisiert den Abend ausklingen lassen können.

Nach Pizza und einer Flasche Wein fallen wir dann endlich todmüde ins Bett.

2 Tag – Noch mehr Weinberge

Diedersfeld Schweigen 60 km mehr geht nicht. Wir starten zuversichtlich in den Tag – noch ein paar km dann fahren wir wieder auf dem platten Land. So ist zumindest der Plan für heute. Die Weinstraße wollen wir hinter uns lassen und endlich zum gemütlichen Teil übergehen. Das Auf und Ab schlaucht doch sehr, sodass die Beine schon etwas brennen. Mit “Sack und Pack” durch die Weinberge ist doch etwas zu heftig. Nächstes Mal wollen wir unser Gepäck an die Tour anpassen. Einer Packliste mit dem Nötigsten findet ihr HIER

Mega anstrengend – auf und ab auch das ist die deutsche Weinstraße

Schnell stellen wir fest das der heutige Tag sich noch anstrengender gestaltet. Trotzdem kämpfen wir uns Richtung Weyher den Berg hoch. Die Kette klappert und unsere Lungen auch. Hilft aber nix, das Dorf soll sehr schön sein und vllt. können wir auch dort eine kleine Pause machen. Im Dorf angekommen sind wir in erster Linie zufrieden, dass wir noch atmen können und nicht geschoben haben. Weniger zufriedenstellend ist das Programm im Ort, das hat nichts mit dem Ort an sich zu tun, sondern mit unserem Glück überall zu früh zu sein.
Es wird wieder ein Weinfest aufgebaut, für uns aber wieder mal zu früh. Also Füße in die Luft und laufen lassen. Auf Wiedersehen Weyher und viel Spaß beim Feiern.

Steile Anstiege scheinen heute das Tagesmotto der Tour zu sein. Wir kämpfen weiter und genießen die schnellen und langen Abfahrten. Die Kräfte schwinden mit jedem Anstieg und wir vermissen etwas die Ruhr und den Pott. Am Wegesrand entdecken wir eine Möglichkeit zum Verschnaufen. Keine Gaststätte, aber ein waschechter Pfälzer Winzer aus Gleisweiler. Wir bestellen einen Schoppen und strecken die Beine aus. Nach einiger Zeit kommt man ins Gespräch über E-Bikes, Wein und Weinfeste.

Wein vom Hang gegenüber – lokaler geht es nicht

Wir erfahren, dass der Wein, den wir gerade trinken, vom Hang gegenüber kommt und noch per Hand geerntet wird. Wir können uns gerade einfach nichts Schöneres vorstellen und blicken auf den Hang ohne Sonne. Zudem erfahren wir das der Deutsche eher global trinkt, sprich nicht so oft Wein aus der Pfalz oder aus anderen Regionen Deutschlands, sondern lieber seine Flaschen um die Welt fliegen lässt. Im Gegenzug verschicken die deutschen Winzer Wein nach England. Allein unsere Winzer jährlich 30.000 Flaschen. Fremdgeschmierte Butterbrote schmecken eben immer noch am Besten. Sinnvoll ist sicherlich etwas anderes…
Zum Schluss erhalten wir noch den offiziellen Weinfestkalender der Pfalz. Den gibt es wirklich. Eigentlich ein super Teil, nur haben wir schon so ziemlich alles verpasst. Jedem/ Jeder, der/die die Tour fährt können wir nur raten: Holt euch das Dingen vorher oder guckt HIER.

Brotzeit und Sonnenbrillen auf der deutschen Weinstraße

Wir fahren leicht beschwingt weiter in Richtung Flachland. Das Auf und Ab hört leider nicht auf, aber unser Magen bleibt leider irgendwann in den Knien hängen und will einfach nicht mehr. Also gönnen wir uns gegen drei Uhr erst mal eine Brotzeit. Es gibt Flammkuchen und eine fette Käseplatte und damit gratis dazu gute Laune. Und gute Laune kann man  noch mit einem Schoppen aufwerten also gibt es den auch noch dazu. Als absolute Krönung scheint jetzt echt mal wieder die Sonne, sodass wir uns die Sonnenbrillen auf die Nase setzten und uns entspannt zurücklehnen.

Bis uns wieder die unangenehmste Aufgabe des Tages bevorsteht. Wie lange und wie weit können  wir noch fahren? Wie spät ist es dann? Wann ist diese verdammte (wenn auch schöne) deutschen Weinstraße zu Ende? Handyrecherche und Telefonate bleiben ergebnislos. Da wir jeden Abend versuchen nicht mehr als 30 Euro auszugeben beleibt nicht so viel übrig. Zur Sicherheit trinken wir lieber noch einen Schoppen.

Vielleicht geht es nach Frankreich…

Nach dem zweiten Schoppen legt sich die Hektik und es stellt sich eine gewisse “ist mir egal” Haltung ein und wir fahren weiter Richtung Süden. Wenn alle Stricke Reißen sollten, fahren wir über die deutsch/französische Grenze und schlafen eben auf einem Campingplatz in Frankreich. Das wäre zwar extra Kilometer, aber das Zelt ist dabei und für irgendwas muss es ja gut sein 5 kg auf den Berg zu schleppen. Würden wir durch den Pfälzer Wald wandern könnten wir auf einem der Campingplätze im Wald schlafen. Denn man lese und staune in Deutschland darf mal und das legal wild campen wenn auch nur mit vorheriger Anmeldung.

…oder in den Pfälzer Wald

In den Pfälzer Wald schaffen wir es wohl nicht mehr. Deshalb heißt der neue Plan: Fahren bis zur Dunkelheit und dann schnell das Zelt aufbauen. Zur Sicherheit decken wir uns bei einem der wenigen Supermärkte, die wir unterwegs entdecken, mit den feinsten Speisen ein. Nüsse, Schokolade, Müsliriegel, Waffeln und was die Zuckerabteilung sonst noch hergibt, wandert zusammen mit einer extra Flasche Wasser in die Radtaschen. Verhungern werden wir schon mal nicht wenn wir uns in die Büsche schlagen.

Schweigen – Stadt und Motto an der deutschen Weinstraße

Wir schaffen es bis Schweigen und rollen durch das (sehr unspektakuläre) Weindorf, welches das Ende der Route markiert. Yeah, geschafft- zumindest die Weinberge.  Einen Schlafplatz haben wir immer noch nicht. Da sich das Wetter zunehmend verschlechtert, wollen wir es doch noch einmal versuchen und fragen uns durch den Ort. Am Ende landen wir bei Helga in einer Einliegerwohnung für 28 €/p.P. inklusive Frühstück. Da sagen wir nicht Nein, obwohl es eigentlich bis Kandel gehen sollte.

Ein soziopathischer Wirt an der deutschen Weinstraße

Von Helga bekommen wir auch noch Tipps für einen gemütlichen Ausklang des Abends. In der Gaststube BECKER erfahren wir, was wahre Pfälzer Gastfreundschaft ist: Wer und sei es nur klamottenmäßig anders aussieht oder gänzlich unbekannt ist, darf draußen sitzen und nicht drinnen. Kein Witz, wurde uns wirklich so gesagt. Egal es regnet noch nicht und wir trinken einfach weiter Schoppen. Als es dann doch anfängt zu regnen, gehen wir dann doch rein. Der Wirt, ein Geschäftsmann wie er im Buche steht, macht sich über seine Gäste lustig und äfft sie tatsächlich nach. Wer Lust auf einen soziopathischen Wirt hat, ist in der Weinstube BECKER bestens aufgehoben. Schönen Gruß von uns.

Gegen 22 Uhr verlassen wir das Gasthaus der Freundlichkeit und nehmen lieber noch eins in einer Pizzeria als schließendes Getränk. Schweigen… der Name scheint Programm zu sein. Das Rheinland scheint sehr weit weg. 

Impressionen von der deutschen Weinstraße